Organoide mit einem embryonalen Herzen
Es gab eine Zeit, in der die Idee, Organe im Labor zu züchten, der Stoff der Science-Fiction war. Heute setzen Stammzellbiologie und Tissue Engineering mit dem Aufkommen von Organoiden die Fiktion in die Realität um: Winzige, im Labor gezüchtete Gewebe und Organe, die anatomisch korrekt und physiologisch funktionell sind.
Der Reiz der Organoide liegt auf der Hand. Im Wesentlichen können sie uns eine bedarfsgerechte Produktion von Geweben und Mini-Organen für die pharmazeutische und medizinische Forschung ermöglichen, ohne ständig auf Spender angewiesen zu sein. Und obwohl dieses Ziel vielleicht noch in weiter Ferne liegt, kommen wir ihm langsam näher.
Die EPFL beschäftigt sich schon seit einiger Zeit mit der Entwicklung von Organoiden, wobei das Labor von Matthias Lütolf an der Fakultät für Life Sciences die Federführung hat. Allein in diesem Jahr hat Lütolfs Gruppe Arbeiten zur Standardisierung des Organoidwachstums, zum 3D-Druck von Organoiden und zur Herstellung eines funktionellen organoidbasierten Mini-Gedärmes veröffentlicht – eine bahnbrechende Nature-Studie, die auf diesem Gebiet wegweisend ist.
Nun hat Lütolfs Labor erfolgreich ein Organoid des Mausherzens im frühen Embryonalstadium hergestellt. Das Projekt wurde von Giuliana Rossi, einer Postdoc-Forscherin aus Lütolfs Laboratorium, geleitet und in der Zeitschrift Cell Stem Cell veröffentlicht.
Die Forschenden züchteten ihre Organoide aus embryonalen Stammzellen der Maus, die sich unter den richtigen Bedingungen selbst zu Strukturen organisieren können, die «Aspekte der Architektur, der zellulären Zusammensetzung und der Funktion von Geweben nachahmen, die in echten Organen zu finden sind», wie es die Forschenden in der Studie formulieren. Unter bestimmten Bedingungen in Zellkultur gesetzt, bilden die embryonalen Stammzellen ein dreidimensionales Aggregat, das als «Gastruloid» bezeichnet wird und den Entwicklungsstadien des Mausembryos folgen kann.
Die Idee hinter dieser Studie war, dass das Maus-Gastruloid dazu verwendet werden kann, die frühen Stadien der Herzentwicklung des Embryos nachzuahmen. Dabei handelt es sich um eine eher unerforschte Verwendung von Organoiden, die im Allgemeinen zur Nachahmung erwachsener Gewebe und Organe gezüchtet werden. Es gibt jedoch drei Merkmale der Maus-Gastruloide, die sie zu einer geeigneten Vorlage für die Nachahmung der Embryonalentwicklung machen: Sie legen einen Körperplan wie echte Embryonen fest, und sie zeigen ähnliche Genexpressionsmuster. Für das Herz geht, das sich als erstes Organ im Embryo bildet und funktioniert, imitieren die Maus-Gastruloide auch die für seine Entwicklung notwendigen Interaktionen zwischen den Geweben.
Damit bewaffnet, setzten die Forschenden embryonale Stammzellen der Maus einem «Cocktail» aus drei Faktoren aus, die das Herzwachstum fördern. Nach 168 Stunden zeigten die entstandenen Gastruloide Anzeichen einer frühen Herzentwicklung: Sie exprimierten mehrere Gene, die die Herz-Kreislauf-Entwicklung im Embryo regulieren, und sie erzeugten sogar so etwas wie ein Gefässnetz.
Noch wichtiger war jedoch, dass die Gastruloide eine so genannte «anteriore kardiale halbmondförmige Domäne» entwickelten. Diese Struktur erzeugte ein schlagendes Herzgewebe, ähnlich dem embryonalen Herz. Und ähnlich wie die Muskelzellen des embryonalen Herzens reagierte auch das schlagende Kompartiment auf Kalziumionen.
Die bahnbrechende Arbeit eröffnet Organoiden eine völlig neue Dimension und zeigt, dass sie auch zur Nachahmung embryonaler Entwicklungsstadien verwendet werden könnten. «Einer der Vorteile der embryonalen Organoide besteht darin, dass sie durch die gemeinsame Entwicklung mehrerer Gewebe entscheidende Interaktionen erhalten, die für die embryonale Organogenese notwendig sind», sagt Giuliana Rossi. «Die entstehenden Herzzellen werden so einem ähnlichen Kontext ausgesetzt wie im Embryo.»