Messungen am PSI ermöglichten detailliertes Verständnis der Gen-Schere
«Damals wussten wir noch gar nicht, welche ausserordentliche Bedeutung dieses Protein kurz darauf erlangen sollte», erzählt Vincent Olieric, Wissenschaftler und Experte für Synchrotronstrahlung am PSI. Im September 2013 brachte Biochemiker Martin Jinek Kristalle des Cas9-Proteins aus zwei unterschiedlichen Bakterien ans PSI, um sie mit dem Röntgenlicht der SLS genau unter die Lupe zu nehmen. Jinek war bis 2012 Postdoktorand im Labor von Jennifer Doudna an der UC Berkeley gewesen und hatte gerade eine Professorenstelle an der Universität Zürich angetreten. Vincent Olieric half ihm dabei, die Messungen an der SLS durchzuführen. Die Struktur von Proteinen bis auf die Ebene einzelner Atome zu entschlüsseln, ist eine Spezialität des PSI.
«Es war eine ziemlich herausfordernde Aufgabe, die Struktur des Enzyms zu bestimmen», erinnert sich Olieric. «Es mussten dafür viele Messdaten gesammelt werden und wir benötigten viele Kristalle dafür. Schliesslich hatte er einen Kristall, der sehr gut war, und aus diesen Messdaten konnte er die Struktur ermitteln.»
Ein Blick auf die Details
Das Gentechnikwerkzeug setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Eine davon ist das Enzym Cas9, welches DNA gezielt schneiden kann. Um zu verstehen, wie es funktioniert, muss man die Struktur der Proteine genau kennen. Zuverlässigster Weg ist die Kristallstrukturanalyse. Dafür werden die Kristalle des Proteins mit Synchrotronlicht durchleuchtet; aus dem dabei entstehenden Beugungsmuster lässt sich mit komplexen Rechenmethoden der Aufbau der Moleküle ermitteln.
Wie die Röntgenkristallstrukturanalyse von Cas9 zeigte, besteht das Enzym aus zwei miteinander verbundenen Bereichen. Der eine davon bindet DNA und durchtrennt sie. Da die Strukturbestimmung von Makromolekülen wie dem Cas9-Enzym so anspruchsvoll ist, entwickelten Olieric und seine Kollegen am PSI später eine neue Methode zur Datenerhebung, um bei dieser Aufgabe zu helfen. Zu diesem Zweck arbeitete Olieric später eng mit Martin Jinek zusammen – «zum damaligen Zeitpunkt wussten wir aber schon, welche Bedeutung CRISPR-Cas9 hatte. Es war bereits in den Laboren weltweit im Einsatz». Dass der Nobelpreis für Chemie dieses Jahr an Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna ging, verwunderte Olieric daher nicht: «Jeder wusste, dass das irgendwann passieren würde.»