Wichtige Entdeckung zu den Ursachen der Korallenbleiche

Ein EPFL-Wissenschaftler hat einen wichtigen Durchbruch im Verständnis der Korallenbleiche erzielt – ein Prozess, der dazu führt, dass Korallen ihre Farbe verlieren und schliesslich sterben. Der Prozess wird durch wärmere Meerestemperaturen ausgelöst und beginnt laut der Studie viel früher als bisher angenommen. Die Bleiche resultiert offenbar aus einer Störung des metabolischen Gleichgewichts zwischen Korallen und ihren symbiotischen Algen, die sie ernähren und ihnen ihre Farbe geben.
Rädecker verbrachte mehr als ein Jahr mit der Untersuchung eines Korallenriffs vor der Küste von Thuwal, Saudi-Arabien. © Nils Rädecker

Korallen müssen, wie alle Tiere, essen, um zu leben. Das Problem ist, dass die meisten Korallen in tropischen Gewässern wachsen, die nährstoffarm sind, eine Art Meereswüste. Es ist dieser Nährstoffmangel, der das Wasser um Korallenriffe so kristallklar macht. Da Nahrung nicht ohne weiteres verfügbar ist, haben Korallen einen bemerkenswerten Ernährungsmechanismus entwickelt, der eine symbiotische Beziehung mit einzelligen Algen beinhaltet. Diese Algen wachsen im Inneren der Korallen, nutzen das Korallengewebe als Schutz und absorbieren das CO2, das die Korallen produzieren. Im Gegenzug versorgen die Algen die Korallen mit Nährstoffen, die sie durch Photosynthese produzieren. Diese Algen enthalten eine Vielzahl von Pigmenten, die den Korallenriffen die Farben verleihen, für die sie bekannt sind.

In den letzten 35 Jahren haben die tropischen Ozeane mehrere grosse Hitzewellen erlebt. Wissenschaftlerinnen haben beobachtet, dass während dieser Episoden die Algen – gestresst durch die wärmeren Temperaturen – Verbindungen freisetzen, die für Korallen giftig sind, was die Koralle dazu veranlasst, die Algen aus ihrem Gewebe zu vertreiben. Das bedeutet, dass die Korallen ihre Farbe und ihre Hauptnahrungsquelle verlieren und dann beginnen zu verhungern. Dies ist der Prozess der Korallenbleiche. Er tritt immer häufiger auf und bedroht das Überleben vieler Riffe, darunter auch das Great Barrier Reef in Australien. Gebleichte Korallen sterben nicht zwangsläufig ab, ihre symbiotische Algenpopulation kann sich wieder etablieren, wenn sich die Bedingungen um ein Riff herum normalisieren. Aber wenn die Hitze anhält oder durch andere Faktoren wie Verschmutzung verschlimmert wird, wird die Koralle zu schwach, um zu überleben.

© Nils Rädecker

In einer am 26. Januar in der renommierten Fachzeitschrift PNAS veröffentlichten Arbeit hat ein internationales Team von Forschenden, dem auch Nils Rädecker vom Laboratorium für Biologische Geochemie (LGB) der EPFL angehört, eine wichtige Entdeckung im Zusammenhang mit dem Ende der symbiotischen Beziehung zwischen der Koralle und den Algen gemacht: «Wir haben zum ersten Mal gezeigt, dass die Koralle zu hungern beginnt, lange bevor die Algen verdrängt werden. Die Algen hören offenbar auf, ausreichend Nährstoffe zu liefern, während sie sich noch im Korallengewebe befinden», sagt er.

Wenn die Symbiose nicht mehr funktioniert

Die Wissenschaftlerinnen wussten bereits, dass die Erwärmung der Ozeane der Hauptfaktor für den Zusammenbruch der symbiotischen Beziehung ist. Doch Rädeckers Team entdeckte, dass sich die Koralle bereits in einem gestressten Zustand befindet und Nährstoffe fehlen, bevor die Algen anfangen, giftige Verbindungen freizusetzen: «Die Wurzeln des Problems liegen viel tiefer als wir dachten, und sie beinhalten einen frühen Zusammenbruch des metabolischen Austauschs in diesen faszinierenden Organismen», sagt Anders Meibom, der Leiter von LGB und ein weltweit anerkannter Korallenexperte.

Rädecker verbrachte mehr als ein Jahr damit, ein Korallenriff vor der Küste von Thuwal, Saudi-Arabien, zu untersuchen – der Stadt, in der sich das Forschungszentrum am Roten Meer befindet, das Teil der King Abdullah University of Science and Technology ist. Diese Umweltbedingungen replizierte er dann in den Aquarien des Zentrums, um die Korallen unter kontrollierten Bedingungen untersuchen zu können.

Die Daten wurden dann in mehreren Labors analysiert, darunter die der EPFL und der Fachbereich Biologie der Universität Konstanz in Deutschland. © Nils Rädecker

Bekannte Fakten in Frage stellen

«Basierend auf dem, was wir gefunden haben, können wir bestimmen, welche anderen Umweltbedingungen als die Temperatur (z. B. die Wasserqualität) die Korallen in einem Riff stressen, und diese Informationen nutzen, um vorherzusagen, ob das Riff bleichen wird. Unsere Ergebnisse können auch genutzt werden, um Korallen zu identifizieren, die besonders resistent gegen die Bleiche sind, wie die im Golf von Akaba und anderswo im Roten Meer. Das wird den Wissenschaftlerinnen sagen, welche Riffe geschützt werden sollten, weil sie eine bessere Überlebenschance haben», sagt Rädecker.

Laut Meibom leistet diese Studie einen wichtigen Beitrag zur Korallenforschung und wirft ein neues Licht auf frühere Beobachtungen: «Nils' Forschung hat Stoffwechselmechanismen aufgedeckt, die eine fundamentale Rolle im Prozess der Korallenbleiche spielen – und deren Bedeutung wir bis jetzt nicht verstanden haben. Ich glaube, er hat den Schlüssel dazu gefunden, was tatsächlich im Inneren der Korallen vor sich geht, wenn sie durch die globale Erwärmung gestresst sind», sagt er.