Laser und virtuelle Realität revolutionieren die Uhrengravur

EPFL-Ingenieurinnen und -Ingenieure haben sich mit dem Luxusuhrenhersteller Vacheron Constantin zusammengetan, um ein innovatives System zu entwickeln, das mit Hilfe von Lasern 3D-Skulpturen in Saphir-Uhrengläsern erzeugt.
© 2021 EPFL Alain Herzog, mit einem Laser in die Mitte des Materials gravieren

Kann ein so altes Handwerk wie das Gravieren von Uhrengläsern noch modernisiert werden, insbesondere bei traditionsreichen Uhrenherstellern wie Vacheron Constantin, das bereits 1755 gegründet wurde? Das ist die Herausforderung, der sich die Ingenieurinnen und Ingenieure des Galatea-Labors der EPFL stellen wollten. Sie fragten sich, wie sie das Handwerk ins 21. Jahrhundert bringen könnten, indem sie den Handwerkerinnen die Möglichkeit geben, Laser – anstelle von Hohlmeisseln, Scheren oder Cuttern – für die Gestaltung von Uhrenkristallen einzusetzen. Laser können feine Linien in den Kern eines Kristalls zeichnen, aber sie müssen über ein Virtual-Reality-Headset geführt werden.

Die Ingenieurinnen von Galatea, das in der Microcity in Neuenburg angesiedelt ist, arbeiteten zwei Jahre lang mit Vacheron Constantin zusammen, um einen Hightech-Ansatz für das uralte Handwerk zu entwickeln: «Wir wollten neue Technologien nutzen, um die Möglichkeiten der Handwerkerinnen und Handwerker zu erweitern, ohne ihr traditionelles Know-how oder die Finesse ihrer Werke zu verlieren», sagt Prof. Yves Bellouard, der den Richemont-Lehrstuhl an der EPFL innehat und das Galatea Lab leitet. Paul Bertusi, Projektleiter für Technik und Innovation bei Vacheron Constantin, fügt hinzu: «Wir wollten Innovation in diese sehr traditionelle Methode bringen, die unserem Unternehmen seit mehr als 265 Jahren zugrundeliegt.»

Den Beruf des Gravierens neu erfinden

Das Projekt begann 2016, kurz nachdem Bellouard zur EPFL gekommen war und das Galatea Lab gegründet hatte, um zu untersuchen, wie Laser mit Materialien interagieren und welche potenziellen Anwendungen es in der Mikrotechnik gibt. Sein Team arbeitet mit hochintensiven, ultrakurzen Laserpulsen – dieselbe Technologie, die 2018 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde – die in der Lage sind, die Eigenschaften eines Materials zu verändern. Die Entdeckung dieser Pulse eröffnete völlig neue Wege in der Forschung: «Bis dahin war es unmöglich, im Inneren von Materialien zu arbeiten», sagt Bellouard. «Ich sprach mit Richemont» – einem Unternehmen aus der Vacheron Constantin-Gruppe – «darüber, wie wir diese Technologie mit handwerklichen Techniken kombinieren könnten, und die Anwendung auf die Uhrengravur schien die perfekte Wahl zu sein.»

Emmanuelle Maridat, seit 12 Jahren Graveurin bei Vacheron Constantin, hielt dies für eine grossartige Idee. Sie war begeistert von der Möglichkeit, ihren Beruf durch diese neue Dimension zu verändern. Doch die Lasergravur erwies sich als kompliziertes Unterfangen, vor allem was die Steuerung der Handbewegungen im virtuellen Raum betrifft. Es ist nicht einfach, nur mit einem winzigen Lichtstrahl und einem digitalen Stift Linien tief in einen Kristall zu ätzen. Und die Linien sind zu klein, um sie mit blossem Auge zu sehen. Das Forscherteam probierte verschiedene Betrachtungsgeräte für ihr System aus: zuerst ein binokulares Gerät, dann einen Computerbildschirm, und schliesslich entschieden sie sich für ein Virtual-Reality-Headset. Aber das Headset musste noch weiter optimiert werden.

Das Gefühl der Berührung zurückbringen

Die Galatea-Ingenieurinnen wandten sich daher an Force Dimension, ein EPFL-Spin-off, das vor allem chirurgische Robotiktechnologie entwickelt, aber auch in der Präzisionsuhrmacherei tätig ist. Die Experten von Force Dimension entwarfen ein Gerät, das den physischen Widerstand nachbildet, der Maridat fehlte. Sie schufen einen digitalen Stift, der an einem Roboterarm befestigt ist und mit Hilfe haptischer Technologie der Benutzerin ein Gefühl der Berührung vermittelt, während sie oder er Materialien virtuell graviert. Der Mitbegründer von Force Dimension, François Conti, beschreibt es so: «Programmierende geben Daten über die Stärke und Position einer gewünschten Bewegung in die Maschine ein, die diese dann auf dem Roboterarm reproduziert. Das gibt der Handwerkerin den richtigen Widerstand, so als würde sie das Objekt tatsächlich berühren.»

Das Projekt ist noch lange nicht abgeschlossen, und das System könnte am Ende eine andere Form annehmen: «Unser Innovationsziel bei Vacheron Constantin ist es, nach neuen Technologien zu suchen, die es uns ermöglichen, weiterhin aussergewöhnliche Uhren herzustellen», sagt Bertusi: «Uhrenkristalle in 3D zu strukturieren, überall in einem Stück Kristall zu arbeiten und echte 3D-Skulpturen innerhalb eines Kristalls zu schaffen – all das eröffnet äusserst interessante Möglichkeiten.» Gespräche für weitere Forschungsprojekte sind bereits im Gange.