IBMs Quantencomputer verbindet zwei Quantenrevolutionen
«Es ist möglich, Experimente in der Grundlagenphysik auf dem aus der Ferne zugänglichen Quantencomputer IBM Q durchzuführen», sagt Marc-André Dupertuis, Physiker an der Fakultät für Grundlagenwissenschaften der EPFL. Gemeinsam mit Nicolas Schwaller, Masterstudent in Physik an der EPFL, und Clément Javerzac-Galy, Co-CEO des Photonik-Unternehmens Miraex, untersuchte der Wissenschaftler ein System aus zwei separaten Quantenelementen, die im IBM Q als supraleitende Quantenbits dargestellt werden.
Die EPFL unterhält bereits eine langjährige Beziehung zu IBMs berühmtem Quantencomputer: 2018 und 2020 belegten zwei Studierendenteams den zweiten Platz im jährlichen «IBM Q Wettbewerb».
Die Arbeit wurde veröffentlicht in Physical Reviews A. «Wir konnten indirekt bestätigen, dass die Dualität jedes Quantenbits komplett ausgeschaltet oder auf ein beliebiges Mass eingestellt werden kann, indem man den Grad der Verschränkung des Paares kontrolliert», sagt Dupertuis.
Quantenrevolution #1: Welle-Teilchen-Dualismus
Hinter dem Welle-Teilchen-Dualismus steckt die Idee, dass jedes Teilchen oder jede Quanteneinheit entweder als Teilchen oder als Welle beschrieben werden kann, wobei die berühmtesten Beispiele Photonen (Lichtteilchen) und Elektronen sind. Das Konzept wurde seit den Anfängen der Quantenmechanik diskutiert und katalysierte die erste Quantenrevolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts, angetrieben durch eine historische Debatte zwischen den legendären Physikern Albert Einstein und Niels Bohr.
Im Laufe des letzten Jahrhunderts haben Experimente die extrem kontraintuitiven Aspekte des Welle-Teilchen-Dualismus hervorgehoben, verkörpert durch das Young-Experiment mit dem «Doppelspalt» für Elektronen, das zeigte, dass sich Materie tatsächlich nicht nur als Teilchen, sondern alternativ auch als Welle verhalten kann, und das manchmal als das «schönste Experiment der Physik» bezeichnet wird.
Quantenrevolution #2: Quantenverschränkung
Aber dann begann in den 1930er Jahren eine zweite Quantenrevolution, als Einstein und Erwin Schrödinger ein noch bizarreres Phänomen entdeckten: die Quantenverschränkung, die auftritt, wenn zwei oder mehr Teilchen einen einzigen zusammengesetzten Quantenzustand teilen, selbst wenn sie über kosmische Entfernungen getrennt sind.
Die Verschränkung eroberte die Phantasie der Wissenschaftlerinnen und Laien, als John Bell und Alain Aspect in den 1960er bzw. 1980er Jahren theoretisch und experimentell nachwiesen, dass sie tatsächlich mit einer fundamentalen Nichtlokalität in der Physik zusammenhängt, die Einstein als «spukhafte Fernwirkung» bezeichnete. Heute hat die Verschränkung, genau wie der Welle-Teilchen-Dualismus, technologische Anwendungen der nächsten Generation ausgelöst, insbesondere die parallele Manipulation von Quantenobjekten, die für das Quantencomputing von zentraler Bedeutung ist.
Beide Revolutionen vereint in einem Quantencomputer
Aber erst 2010 wies eine bahnbrechende Arbeit der Physiker Matthias Jakob und János Bergou darauf hin, dass der Welle-Teilchen-Dualismus der beiden Systeme tatsächlich eng durch die gegenseitige Verschränkung zwischen ihnen kontrolliert wird. Dennoch blieb dieses fundamentale Ergebnis über ein Jahrzehnt lang ohne experimentellen Beweis.
Bis die Quantentechnologie aufkam: «Mit dem IBM-Q-Quantencomputer haben wir zum ersten Mal die Beziehung, die die Quantenverschränkung und den Welle-Teilchen-Dualismus eng miteinander verbindet, experimentell verifiziert», sagt Dupertuis: «Wir berichten über die experimentelle Verifizierung dieser Beziehung und führen damit die erste und die zweite Quantenrevolution durch diese beiden kritisch wichtigen, aber sehr unterschiedlichen Entdeckungen zusammen, die in einem erstmaligen Experiment zusammengebracht wurden.»