Wie Vulkanausbrüche 2000 Jahre Weltgeschichte geprägt haben

Vulkanausbrüche haben in den letzten zweitausend Jahren mehr zu natürlichen Temperaturschwankungen beigetragen als bisher angenommen, zeigt eine Studie mit Beteiligung der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Diese Klimaveränderungen haben möglicherweise frühere gesellschaftliche und wirtschaftliche Umwälzungen beeinflusst.
Hunderte oder sogar Tausende Jahre altes Holz, wie dieses Treibholz in einem sibirischen Fluss, liefert Hinweise auf die Sommertemperaturen in der Vergangenheit. (Foto: Ulf Büntgen)

Aus Holzproben von mehr als 9000 lebenden und toten Bäumen rekonstruierte das Forschungsteam unter der Leitung der Universität Cambridge die Sommertemperaturen in Nordamerika und Eurasien bis ins Jahr 1 n. Chr. zurück. Sie fanden kältere und wärmere Perioden und verglichen diese mit Aufzeichnungen über sehr grosse Vulkanausbrüche und wichtige historische Ereignisse.

Der Datensatz war besonders genau, weil die Forschenden jeweils die gleiche Anzahl von Datenpunkten über die gesamten 2000 Jahre hinweg verwendeten. Frühere Rekonstruktionen des Klimas über diesen langen Zeitraum waren verzerrt, weil sie mehr Daten von Bäumen aus jüngerer Zeit beinhalteten.

Temperaturschwankungen über 2000 Jahre

Die Ergebnisse, die in der Zeitschrift Dendrochronologia veröffentlicht wurden, zeigen, dass der Einfluss von Vulkanen auf globale Temperaturveränderungen sogar noch grösser ist, als bislang bekannt war. Die Forschenden betonen jedoch, dass ihre Resultate keinesfalls bedeuten, dass der vom Menschen verursachte Klimawandel weniger gravierend sei.

Vielmehr trägt die Studie gemäss der Forschenden zum Verständnis der natürlichen Ursachen und gesellschaftlichen Folgen der sommerlichen Temperaturveränderungen in den letzten zweitausend Jahren bei.

«Wir können aus Jahrringen sehr viel über die Klimabedingungen der Vergangenheit herauslesen. Allerdings haben wir weit mehr Informationen von neueren Bäumen als von Bäumen, die vor tausend Jahren oder mehr lebten», sagt der Hauptautor, Ulf Büntgen vom Geographischen Institut in Cambridge und Gastwissenschaftler an der WSL.

«Indem wir einige der Daten aus der jüngeren Vergangenheit herausnehmen, gleichen wir die Bedingungen für den gesamten betrachteten Zeitraum von 2000 Jahren aus. So erhalten wir am Ende ein genaueres Verständnis des natürlichen und des menschengemachten Klimawandels.»

Sonnenlicht abgeschirmt

Die Temperaturdaten aus den Jahrringen glichen die Forschenden mit jenen aus Eisbohrkernen ab. So konnten sie Auswirkungen vergangener Vulkanausbrüche auf die Sommertemperaturen identifizieren. Grosse Vulkanausbrüche können die globalen Durchschnittstemperaturen um Bruchteile von Grad Celsius senken. Der Hauptfaktor ist die Menge an Schwefel, die während des Ausbruchs freigesetzt wird und in die Stratosphäre gelangt. Dort bildet sie winzige Partikel, die einen Teil des Sonnenlichts daran hindern, die Oberfläche zu erreichen. Dies kann zu kürzeren Wachstumsperioden und kühleren Temperaturen führen, was wiederum geringere Ernten zur Folge hat. Umgekehrt kann die Erde in Perioden, in denen weniger grosse Eruptionen stattfanden, mehr Sonnenwärme aufnehmen und die Temperaturen steigen.

«Einige Klimamodelle gehen davon aus, dass die Wirkung von Vulkanen lokal begrenzt und kurz ist», sagt Büntgen. «Betrachtet man jedoch den Gesamteffekt über ein ganzes Jahrhundert, stellt man fest, dass die Auswirkungen viel langfristiger sein können. Zum Teil können wir die warmen Bedingungen während des 3., 10. und 11. Jahrhunderts durch die relativen seltenen Ausbrüchen erklären.» Die rekonstruierten Sommertemperaturen in den 280er, 990er und 1020er Jahren, als es wenige Vulkanausbrüche gab, waren bis zum Jahr 2010 mit den heutigen Bedingungen vergleichbar.

Stärkere vorindustrielle Temperaturschwankungen

Anders als bestehende Temperaturrekonstruktionen der letzten 1200-2000 Jahre zeigt die aktuelle Studie grössere vorindustrielle Schwankungen der Sommertemperaturen, und sie deutet auch stark darauf hin, dass es im 6. und 7. Jahrhundert eine Kleine Spätantike Eiszeit (LALIA) gab.

In Zusammenarbeit mit Historikern fanden die Forschenden weiter heraus, dass die relativ warmen Perioden zur Römerzeit und im Mittelalter, als grosse Vulkanausbrüche seltener waren, oft mit gesellschaftlichem Wohlstand und politischer Stabilität in Europa und China zusammenfiel. Im Gegensatz dazu fielen Perioden mit starker vulkanischer Aktivität oft mit Zeiten von Konflikten und wirtschaftlichem Niedergang zusammen.

«Die Interpretation der Geschichte ist immer eine Herausforderung», sagt Clive Oppenheimer, der leitende Vulkanologe der Studie. «Es kommen so viele Faktoren ins Spiel - Politik, Wirtschaft, Kultur. Aber eine grosse Eruption, die zu einem weitreichenden Rückgang der Getreideproduktion führt, kann Millionen von Menschen in Mitleidenschaft ziehen und zu Hungersnöten, Krankheiten, Konflikten und Migration führen. Wir sehen viele Beweise dafür in den historischen Aufzeichnungen.»

«Wir wussten, dass grosse Eruptionen diese Auswirkungen haben können, vor allem, wenn die Gesellschaften bereits unter Druck standen. Aber ich war überrascht, den gegenteiligen Effekt so deutlich in unseren Daten zu sehen – nämlich, dass Jahrhunderte mit eher wenigen Ausbrüchen wärmere Sommer hatten als der langfristige Durchschnitt.»

Die neuen Temperaturrekonstruktionen werfen ein neues Licht auf historische Perioden, in denen klimatische Veränderungen einen übergrossen Einfluss auf die Menschheitsgeschichte hatten. Dies betrifft auch unsere Gegenwart und Zukunft: Mit der Beschleunigung des Klimawandels werden Extremereignisse wie Überschwemmungen, Dürren, Stürme und Waldbrände immer häufiger auftreten.

«Der Mensch hat keinen Einfluss darauf, ob ein Vulkan ausbricht oder nicht. Hingegen hängt die Erwärmung, die wir derzeit beobachten, sicherlich mit menschlichen Aktivitäten zusammen», sagt Büntgen. «Auch wenn die Zukunft nicht vorhersagbar ist, lohnt es sich, zu erfahren, wie sich der Klimawandel in der Vergangenheit auf die menschliche Zivilisation ausgewirkt hat.»

Originale Medienmitteilung der Cambridge University