Wie gefährlich sind brennende Elektroautos?
Zielgruppe: Betreiber von Parkhäusern und Tiefgaragen
Der Versuch, der vom Schweizer Bundesamt für Strassen (Astra) finanziert wurde und an dem mehrere Empa-Forscher mitwirkten, fand bereits im Dezember 2019 statt. Nun liegt die Auswertung vor. «Wir haben bei unserem Experiment vor allem auch an private und öffentliche Betreiber von kleinen und grossen Tiefgaragen oder Parkhäusern gedacht», sagt Projektleiter Lars Derek Mellert von der Firma Amstein + Walthert Progress AG. «All diese bereits bestehenden unterirdischen Bauten werden immer häufiger auch von Elektroautos benutzt. Und die Betreiber stellen sich die Frage: Was tun, wenn solch ein Auto Feuer fängt? Welche gesundheitlichen Gefahren entstehen für meine Beschäftigten? Welche Effekte hat solch ein Brand auf den Betrieb meiner Anlage?» Doch bis anhin gab es kaum aussagekräftige Fachliteratur, geschweige denn praktische Erfahrung für solch einen Fall.
Mellert entwickelte mit Unterstützung des Batterieforschers Marcel Held und des Korrosionsspezialisten Martin Tuchschmid von der Empa drei Versuchsszenarien. Beteiligt waren ausserdem Experten der Versuchsstollen Hagerbach AG und des französischen «Centre d'études des tunnels» (CETU) in Bron. «Wir haben Test-Oberflächen im Brandraum montiert, auf denen sich der Russ absetzte», erläutert Martin Tuchschmid, Korrosions- und Brandschadenspezialist an der Empa. «Die Oberflächen wurden nach dem Versuch chemisch analysiert und auch mehrere Monate lang in speziellen Räumen gelagert, um möglichen Korrosionsschäden auf die Spur zu kommen.»
Szenario 1: Brand in einem geschlossenen Raum
Im ersten Szenario geht es um einen Brand in einer abgeschlossenen Parkgarage ohne mechanische Lüftung. Angenommen wurde eine Stellfläche von 28 x 28 Metern Fläche und 2,5 Metern Geschosshöhe. Ein solches Parkgeschoss hätte 2000 Kubikmeter Luftvolumen. Angenommen wird der Brand eines Kleinwagens mit einer vollgeladenen Batterie von 32 kWh Leistung. Aus Gründen der Versuchsökonomie wurde alles auf 1/8 verkleinert: In Brand gesetzt wurde also ein vollgeladenes Batteriemodul mit 4 kWh Kapazität in einem Raum mit 250 Kubikmeter Luftvolumen. Untersucht wurde, wie sich der Russ auf Tunnelwände, Oberflächen und auf Schutzanzüge anwesender Feuerwehrleute absetzt, wie giftig die Rückstände sind und auf welche Weise sich der Brandort nach dem Ereignis reinigen lässt.Szenario 2: Brand in einem Raum mit Sprinkleranlage
Im Szenario 2 geht es um chemische Rückstände im verwendeten Löschwasser. Der Versuchsaufbau war identisch wie in Szenario 1. Doch diesmal wurde der Rauch aus der Batterie mit Hilfe eines Blechs unter eine Wasserdusche gelenkt, die einer Sprinkleranlage ähnelte. Das herunterregnende Russwasser wurde in einem Auffangbecken gesammelt. Die Batterie wurde dabei nicht gelöscht, sondern brannte ebenfalls vollständig aus.Szenario 3: Brand in einem Tunnel mit Ventilation
In diesem Szenario ging es um den Effekt eines solchen Brandes auf eine Lüftungsanlage. Wie weit verteilt sich der Russ in den Abluftkanälen? Setzen sich dort Substanzen ab, die zu Korrosionsschäden führen? Im Versuch wurde wiederum ein 4 kWh-Batteriemodul in Brand gesetzt, doch diesmal blies ein Ventilator den Rauch mit konstanter Geschwindigkeit (ca. 1.5 m/s) in einen 160 Meter langen Entlüftungstunnel. Im Abstand von 50, 100 und 150 Metern vom Brandort hatten die Forscher Bleche in den Tunnel montiert, auf dem sich der Russ absetzte. Die chemische Zusammensetzung des Russes und mögliche Korrosionseffekte wurden ebenfalls in den Labors der Empa analysiert.Die Ergebnisse des Versuchs wurden Anfang August 2020 in einem Abschlussbericht publiziert. Projektleiter Mellert kann einerseits Entwarnung geben: Ein brennendes Elektroauto ist Bezug auf die Hitzeentwicklung nicht gefährlicher als ein brennendes Auto mit konventionellem Antrieb. «Die Schadstoffemissionen eines Fahrzeugbrands waren schon immer gefährlich und unter Umständen tödlich», heisst es im Abschlussbericht. Völlig unabhängig von der Antriebsform oder dem Energiespeicher müsse es oberstes Ziel sein, dass sich alle Personen möglichst schnell aus der Gefahrenzone begeben. Speziell die stark ätzende, toxische Flusssäure wird oft als besondere Gefahr bei brennenden Batterien diskutiert. In den drei Versuchen im Tunnel Hagerbach blieben die Konzentrationen jedoch unter dem kritischen Bereich.
Fazit: Eine Tunnellüftung, die auf aktuellem Stand der Technik ist, kommt nicht nur mit brennenden Benzinautos, sondern auch mit Elektroautos zurecht. Erhöhte Korrosionsschäden an der Lüftungsanlage oder der Tunneleinrichtung sind aufgrund der nun vorliegenden Resultate ebenfalls nicht zu erwarten.
Auch die Feuerwehren müssen auf Grund der Versuche nichts neu lernen. Feuerwehrleute wissen, dass die Batterie eines Elektroautos nicht zu löschen ist und nur mit grossen Mengen Wasser gekühlt werden kann. So kann das Feuer möglicherweise auf einige Batteriezellen beschränkt bleiben, ein Teil der Batterie brennt dann nicht aus. Freilich muss ein solches, teilweise ausgebranntes Wrack in einem Wasserbecken oder einem Spezialcontainer aufbewahrt werden, damit es sich nicht neu entzünden kann. Doch das ist den Spezialisten bereits bekannt und wird auch schon geübt.