Geodaten helfen, Parkinson besser zu verstehen
Die Parkinson-Krankheit, bei der bestimmte Arten von Nervenzellen im Gehirn nach und nach zerstört werden, betrifft in der Schweiz etwa 15 000 Menschen. Es ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung nach Alzheimer. Ihre Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu und sie tritt tendenziell häufiger bei Männern auf. Obwohl die Ursachen noch weitgehend unbekannt sind, sind sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einig, dass in den meisten Fällen eine Kombination aus erblichen und umweltbedingten Faktoren eine Rolle spielt.
Durch die Untersuchung der geografischen Verteilung von Parkinson-Patienten in einem bestimmten Gebiet können Wissenschaftlerinnen Cluster mit höherer oder niedrigerer Prävalenz identifizieren und darauf aufbauend mögliche Umweltrisikofaktoren ableiten. Die HUG-Neurologiefachleute Pierre Burkhard und Vanessa Fleury haben 2018 im Kanton Genf die erste Erhebung der Parkinson-Häufigkeit in der Schweiz durchgeführt. «Prof. Burkhard war aufgefallen, dass mehrere seiner Patienten nahe beieinander wohnten, und er vermutete, dass es im Kanton Genf lokale Häufungen der Krankheit geben könnte. Dann habe ich mit ihm zusammen einen Weg gefunden, seine Hypothese wissenschaftlich zu untermauern», so Vanessa Fleury.
Fleury traf sich mit Dr. Stéphane Joost und seiner Studentin Rebecca Himsl, nachdem sie von der Abteilung für Bevölkerungsepidemiologie am HUG und Prof. Idris Guessous – einem langjährigen Forschungspartner des Labors für geografische Informationssysteme (LASIG) der EPFL – vermittelt worden war. Himsl wählte daraufhin dieses Thema für ihr Masterprojekt. Die Zusammenführung von Klinik- und Raumanalyse-Fachleuten in einem interdisziplinären Team erwies sich als sehr effektiv: «Wir haben die Situation aus epidemiologischer Sicht betrachtet und uns gefragt: Gibt es Orte, an denen die Parkinson-Krankheit häufiger auftritt als anderswo?», sagt Himsl, die heute als Hochwasserrisiko-Analystin für ein kanadisches Unternehmen arbeitet. Die Ergebnisse der Studie wurden am 1. Februar in Parkinsonism & Related Disorders veröffentlicht.
Neue Perspektiven
Die Ergebnisse der Studie sind aufschlussreich, vor allem im Hinblick auf die Methodik, die einen neuen Ansatz in der umwelt-epidemiologischen Forschung darstellt. Das Team verknüpfte Umwelt- und epidemiologische Daten zu Alter, Geschlecht und Adresse der 1115 Parkinson-Patientinnen des Kantons und erstellte detaillierte Karten der Fallverteilung auf Basis spezifischer Umweltexpositionsfaktoren. Um eine Kontrollgruppe zu erstellen, bezogen sie Daten von 12 614 Genfer Einwohnenden, die zwischen 1995 und 2014 vom Gesundheitsbus der Abteilung für Bevölkerungsepidemiologie gesammelt wurden. Diese Einzelfallanalyse steht im Gegensatz zu der traditionelleren Methode der Datenaggregation, die bei der Suche nach sehr lokalisierten Gebieten mit geringer Krankheitsprävalenz ungenau sein kann.
Verteilung der Parkinson-Hotspots (rote Punkte) und Coldspots (blaue Punkte) im Kanton Genf. © LASIG
«Ein sehr komplexes Ursachengeflechts»
«Wir haben Patientengruppen geolokalisiert und dabei bekannte Störfaktoren wie Alter und Geschlecht berücksichtigt. Dadurch konnten wir lokale Hotspots mit einer höheren Prävalenz der Parkinson-Krankheit ausmachen. Diese räumliche Abhängigkeit betrifft einen kleinen Prozentsatz der Patientinnen und Patienten (6 %), bleibt aber auch nach Eliminierung aller Faktoren, die zur Parkinson-Krankheit beitragen könnten, statistisch signifikant», erklärt Himsl. Ihre Erkenntnisse, die sie unter anderem mit Hilfe eines Wahrscheinlichkeitsmodells gewonnen hat, ermöglichen es auch, «Coldspots» zu identifizieren – Gebiete, in denen unterdurchschnittlich viele Menschen von Parkinson betroffen sind.
Die Studie zeigt, dass sich die meisten Parkinson-Hotspots in der Nähe des Genfer Stadtzentrums befinden, im Gegensatz zu den Coldspots, die in den Außenbezirken liegen: «Es gibt eine signifikante positive Korrelation zwischen diesen Hotspots und dem Grad der Luftverschmutzung, was uns vermuten lässt, dass es einen Zusammenhang zwischen Parkinson und Luftverschmutzung gibt. Unsere Studie unterstreicht zwei wichtige Tatsachen: die multifaktorielle Natur der Parkinson-Krankheit und die Bedeutung der Verbesserung der Luftqualität, um der Krankheit vorzubeugen», erklärt Fleury. Joost fügt hinzu: «Das alles ist Teil eines sehr komplexen Ursachengeflechts. Manchmal können wir jedoch wie in diesem Fall einen dominanten Faktor erkennen und das ist sehr wahrscheinlich die Luftverschmutzung.»
Verteilung von Parkinson-Hotspots und Coldspots im Kanton Genf in Zusammenhang mit Luftverschmutzung. © LASIG
Übereinstimmende Ergebnisse - mit zwei Ausnahmen
Als Joost die Arbeit von Himsl nach ihrem Abschluss aufgriff, bezog er Daten ein, die der Ballungsraum Genf kürzlich zur Verfügung gestellt hatte, was die Konzentrationen von Stickstoffdioxid und Schwebstoffen betrifft. Dann legte er diese Daten über Himsls Karten und sah, dass sie in allen Hotspots übereinstimmten – mit Ausnahme des Viertels Eaux-Vives in der Nähe des Stadtzentrums, wo die Luftqualität besser zu sein scheint, und des Coldspots Les Délices, der hohe Stickstoffdioxidwerte aufweist. «Wir werden nun versuchen, einen oder mehrere mögliche Erklärungsfaktoren zu erkennen und in einer neuen Studie zu veröffentlichen», sagt Joost, der bereits postuliert, dass ein Zusammentreffen positiver Faktoren in Wohnortnähe das Erkrankungsrisiko verringern kann.
«Dank der in der Studie identifizierten Prävalenzbereiche könnte sie für Gesundheitsdienstleister von Nutzen sein», sagt Joost: «Wir haben gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, an Parkinson zu erkranken, in bestimmten Arten von Wohngegenden höher ist, was die Politik dazu veranlassen könnte, Massnahmen zum Schutz der Bewohnenden oder zur Verbesserung der Einrichtungen in diesen Gemeinden einzuleiten. Unsere Ergebnisse werden auch den Neurologie-Fachleuten des HUG helfen, mit denen wir zusammengearbeitet haben, die sich nun auf die Suche nach anderen Erklärungsfaktoren für den Ausbruch der Krankheit konzentrieren können.»