Glühwürmchen beleuchten die Funktion der Mitochondrien

Die Mitochondrien liefern Energie für unsere Zellen, doch ihre Rolle bei vielen Krankheiten ist noch wenig verstanden. Dank eines biolumineszierenden Moleküls können Forschende der EPFL sie in lebenden Säugetieren bei der Arbeit beobachten.
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Winzige Fabriken schweben in unseren Zellen und versorgen sie mit fast der gesamten Energie, die sie benötigen: die Mitochondrien. Ihre Wirksamkeit nimmt ab, wenn wir älter werden, aber auch, wenn wir mit gewissen Krankheiten wie Diabetes, Krebs oder Parkinson konfrontiert sind. Deshalb interessieren sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunehmend dafür, wie sie funktionieren. An der EPFL hat ein Team ein Protokoll entwickelt, um ihre Aktivität direkt am lebenden Tier zu messen. Die in Nature Chemical Biology beschriebene Methode stützt sich auf das Molekül, das für die Biolumineszenz des Glühwürmchens verantwortlich ist. Im wahrsten Sinne des Wortes beleuchtet diese Studie die Funktionsweise der Mitochondrien.

Mitochondrien sind fast wie Zellen innerhalb der Zelle. Wie ihr Wirt haben sie eine Membran, die ihr genetisches Material schützt und vor allem den Austausch mit der Aussenwelt filtert. Der Unterschied in der elektrischen Ladung zwischen dem Inneren und dem Äusseren der Mitochondrien, das so genannte «Membranpotenzial», lässt bestimmte Moleküle durch, während andere blockiert werden.

Zwischen den beiden Polen einer gebrauchten elektrischen Batterie kann das Membranpotenzial der Mitochondrien manchmal abfallen. Für Forschende ist dies ein untrüglicher Hinweis darauf, dass ihre Funktionen beeinträchtigt sind.

Wir wissen, wie wir das Phänomen an kultivierten Zellen messen können. Aber bis jetzt konnte man es an lebenden Tieren nicht wirklich sehen. «Zellkulturen sind bei der Untersuchung von Krankheiten im Zusammenhang mit Mitochondrien nicht sehr effektiv», erklärt Elena Goun, Professorin an der EPFL und Hauptautorin des Artikels: «Bei Krebs oder Diabetes findet ein komplexer Austausch zwischen verschiedenen Zelltypen statt, deshalb brauchen wir Tiermodelle.»

Elena Goun und ihr Team haben einen Weg gefunden, dieses Phänomen an lebenden Mäusen zu untersuchen. Sie verwenden Tiere, die genetisch so verändert sind, dass sie Luciferase absondern, ein Enzym, das Licht produziert, wenn es mit einer anderen Verbindung namens Luciferin kombiniert wird. So erhellen manchmal Glühwürmchen unsere Sommerabende.

Foprschende haben zwei Moleküle entwickelt, die, wenn sie in das Nagetier injiziert werden, in die Mitochondrien gelangen, wo sie eine chemische Reaktion auslösen. Die Mitochondrien produzieren dann Luciferin und stossen es nach aussen aus. Das Luciferin verbindet sich in den Zellen der Mäuse mit der Luciferase und produziert Licht.

«In einem völlig abgedunkelten Raum kann man die Mäuse leuchten sehen, genau wie Glühwürmchen», sagt Elena Goun.

Forschende müssen nur die Lichtintensität messen, um ein klares Bild davon zu erhalten, wie gut die Mitochondrien funktionieren. Wenn die Mitochondrien weniger gut funktionieren, lässt ihre Membran weniger chemische Verbindungen durch. Die Produktion von Luciferin nimmt ab und damit auch die Leuchtkraft.

Um das Potenzial ihrer Methode zu demonstrieren, führten die Forschenden mehrere Experimente durch. So stellten sie beispielsweise fest, dass ältere Nagetiere deutlich weniger Licht produzieren. Dieser Lichtabfall widerspiegelt einen Rückgang der Aktivität der Mitochondrien – ihr Membranpotenzial ist viel geringer als bei jüngeren Nagetieren. Wir wissen, dass das Alter zu einer Abnahme der Aktivität der Mitochondrien führt, aber es ist das erste Mal, dass dieses Phänomen direkt am lebenden Tier präzise gemessen wurde.

Das Team testete auch eine Chemikalie, von der bekannt ist, dass sie die Mitochondrien verjüngt: das Nicotinamid-Ribosid. Dieses Molekül ist nicht toxisch und als Nahrungsergänzungsmittel im Handel erhältlich. Mäuse, denen diese Verbindung verabreicht wurde, produzierten mehr Licht, ein Zeichen für eine erhöhte Mitochondrienaktivität.

Die Forschenden konnten dasselbe Phänomen auch in Tiermodellen mit Krebs messen. Dies könnte für die Erforschung von Krebsmedikamenten eine grosse Hilfe sein. Darüber hinaus konnten sie auch erfolgreich die Überwachung des Membranpotenzials der Mitochondrien in Zellen des braunen Fettgewebes, das reich an Mitochondrien ist, nachweisen. Seine Stimulierung könnte dazu beitragen, bestimmte Formen der Fettleibigkeit zu heilen.

Die von Elena Goun beschriebene Methode ist in erster Linie für Forschende gedacht, die die Rolle der Mitochondrien besser verstehen wollen und ein Tiermodell benötigen. Das Anwendungsgebiet ist breit gefächert: Diabetes, Onkologie, Alterung, Ernährung, neurogenerative Krankheiten... «Unser Verfahren kann verschiedene Grade der Mitochondrien-Aktivität messen und nicht nur ein An/Aus-Signal», erklärt Elena Goun, «es ist extrem empfindlich – viel mehr als ein PET-Scan – erschwinglich und einfach zu implementieren.»