Deep Learning und Metamaterialien machen Unsichtbares sichtbar
Die Bildgebung ermöglicht es uns, ein Objekt durch eine Fernfeldanalyse der von ihm durchgelassenen oder abgestrahlten Licht- und Schallwellen abzubilden. Je kürzer die Welle, desto höher ist die Auflösung des Bildes. Die Detailgenauigkeit ist jedoch durch die Grösse der jeweiligen Wellenlänge begrenzt – bisher. Forschende des Laboratory of Wave Engineering der EPFL haben erfolgreich bewiesen, dass eine lange und daher unpräzise Welle (in diesem Fall eine Schallwelle) Details hervorbringen kann, die 30 Mal kleiner sind als ihre Länge. Um dies zu erreichen, verwendete das Forschungsteam eine Kombination aus Metamaterialien – speziell entwickelte Elemente – und künstlicher Intelligenz. Ihre Forschung, die soeben in Physical Review X veröffentlicht wurde, schafft spannende neue Möglichkeiten, insbesondere in den Bereichen medizinische Bildgebung und Biotechnik.
Die bahnbrechende Idee des Teams bestand darin, zwei getrennte Technologien zusammenzubringen, die bisher die Grenzen der Bildgebung verschoben haben. Eine davon sind Metamaterialien: speziell angefertigte Elemente, die zum Beispiel Wellenlängen präzise fokussieren können. Es ist jedoch bekannt, dass sie ihre Wirksamkeit verlieren, wenn sie zufällig Signale so absorbieren, dass sie schwer zu entschlüsseln sind. Die andere Technologie ist die künstliche Intelligenz, oder genauer gesagt, neuronale Netze, die selbst die komplexesten Informationen schnell und effizient verarbeiten können, auch wenn es eine Lernkurve gibt.
Um die in der Physik als Beugungsgrenze bezeichnete Grenze zu überschreiten, führte das Forschendenteam unter der Leitung von Romain Fleury folgendes Experiment durch: Sie schufen zunächst ein Gitter aus 64 Miniaturlautsprechern, von denen jeder entsprechend den Pixeln in einem Bild aktiviert werden konnte. Dann verwendeten sie das Gitter, um Klangbilder von Zahlen von 0 bis 9 mit äusserst präzisen räumlichen Details wiederzugeben. Die in das Gitter eingespeisten Bilder von Zahlen stammen aus einer Datenbank mit rund 70'000 handschriftlichen Beispielen. Gegenüber dem Gitter platzierten die Forschenden eine Tasche mit 39 Helmholtz-Resonatoren (10-cm-Kugeln mit einem Loch an einem Ende), die ein Metamaterial bildeten. Der durch das Gitter erzeugte Ton wurde durch das Metamaterial übertragen und von vier Mikrofonen, die mehrere Meter entfernt aufgestellt waren, eingefangen. Algorithmen entschlüsselten dann den von den Mikrofonen aufgenommenen Ton, um zu lernen, wie die ursprünglichen Zahlenbilder erkannt und neu gezeichnet werden können.
Ein vorteilhafter Nachteil
Das Team erzielte mit seinem Experiment eine Erfolgsquote von fast 90%. «Durch die Erzeugung von Bildern mit einer Auflösung von nur wenigen Zentimetern – unter Verwendung einer Schallwelle, deren Länge etwa einen Meter betrug – haben wir die Beugungsgrenze weit überschritten», sagt Romain Fleury. «Darüber hinaus erweist sich die Neigung von Metamaterialien, Signale zu absorbieren, was als grosser Nachteil angesehen wurde, bei neuronalen Netzen als Vorteil. Wir stellten fest, dass sie besser funktionieren, wenn die Absorption sehr hoch ist.»
Auf dem Gebiet der medizinischen Bildgebung könnte die Verwendung langer Wellen zum Sehen sehr kleiner Objekte einen grossen Durchbruch darstellen. «Lange Wellen bedeuten, dass Ärztinnen und Ärzte viel niedrigere Frequenzen verwenden können, was zu akustischen Bildgebungsverfahren führt, die selbst durch dichtes Knochengewebe hindurch wirksam sind. Wenn es um die Bildgebung mit elektromagnetischen Wellen geht, sind Langwellen für die Gesundheit von Patientinnen und Patienten weniger gefährlich. Für diese Art von Anwendungen würden wir nicht neuronale Netze trainieren, Zahlen zu erkennen oder wiederzugeben, sondern organische Strukturen», so Fleury.