Umweltgenomik für den Schutz von Korallen
Die Ozeane sind für die Gesundheit des Planeten ein wichtiger Impulsgeber, da sie über 90 % der Sonnenenergie absorbieren. Sie zeigen, wie sehr steigende Temperaturen die Korallenriffe und andere lebenswichtige Ökosysteme bedrohen, die die biologische Vielfalt unterstützen. In den Jahren 2016 und 2017 verursachte ein abrupter Anstieg der Oberflächentemperaturen im Pazifischen Ozean Massenausbleichungen in einem noch nie dagewesenen Ausmass. Australiens Great Barrier-Riff war besonders hart betroffen.
Eine Bleiche tritt auf, wenn Hitzestress die symbiotische Beziehung stört zwischen Korallen und den winzigen Algen, die in ihrem Inneren leben, um sie mit Nährstoffen zu versorgen und ihnen Farbe zu verleihen. Anhaltendes Bleichen kann zum Absterben der Korallen führen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben anormale Hitzewellen ganze, mehrere Kilometer lange Riffabschnitte vor der Küste Australiens weiss gefärbt.
Bleichen von Korallen kann zu ihrem Tod führen. © 2020 Istock
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben bereits herausgefunden, dass manche Riffe besser mit den wiederkehrenden Hitzewellen umgehen können als andere. Oliver Selmoni, Doktorand am Labor für Geographische Informationssysteme (LASIG) der EPFL, wandte für seine Doktorarbeit die Prinzipien der Umweltgenomik an, um diese Anpassungsfähigkeit zu charakterisieren. Selmoni verglich die Ergebnisse der genetischen Analyse von Korallenproben mit den von Satelliten erfassten Meerestemperaturdaten, um zu bestimmen, warum einige Korallen besser in der Lage sind, steigende Temperaturen auszuhalten.
Studie von A bis Z
Nachdem Selmoni seine Methode auf bereits vorhandene Daten über eine Korallenart in Japan abstützte, reiste er nach Neukaledonien, um eine neue Studie von Grund auf aufzubauen. Er sammelte seine eigenen Korallenproben mit Hilfe der in Nouméa ansässigen IRD-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler. Die Ergebnisse wurden am 12. November in Nature Scientific Reports veröffentlicht.
Die Studie zielte darauf ab, zwei Hypothesen zu testen. Die erste ist, dass die Korallenpopulationen lernen, sich an wärmere Meere anzupassen, nachdem sie über viele Jahre anhaltenden Hitzestress erfahren haben. «Je länger höhere Temperaturen andauern, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich klimaresistente Merkmale entwickeln und von Generation zu Generation weitergegeben werden», erklärt Selmoni. Die zweite Hypothese bezieht sich auf die Konnektivität: Korallen vermehren sich, indem sie Larven ins Wasser freisetzen, die dann von den Meeresströmungen mitgerissen werden. «Korallen sind für ihr Überleben auf nahe gelegene Populationen angewiesen. Wenn ein Riff durch Umweltstressoren oder menschliche Aktivitäten zerstört wird, werden Larven von anderswo benötigt, um die Wiederbesiedlung anzukurbeln», fügt er hinzu.
Einrichten von Meeresschutzgebieten
Selmonis erste Aufgabe bestand darin, die Zusammensetzung der Meeresumwelt in Neukaledonien mit Hilfe von Satellitendaten, die 30 Jahre zurückreichen, zu bewerten. Nachdem er 20 Standorte mit den grössten Temperaturkontrasten ausgewählt hatte, begab er sich ins Feld, um Proben zu sammeln. «Wir konzentrierten uns auf drei Flaggschiff-Korallenarten des Pazifiks, die anfällig für Ausbleichen und relativ leicht zu finden sind. Es war ein riesiges Unterfangen: 3000 km auf der Strasse und weitere 1000 km mit dem Boot!», erinnert er sich. Selmoni teilte Einzelheiten seiner Erfahrungen auf dem EPFL-Blog Out There mit.
Mit den Methoden der Umweltgenomik bei LASIG fand er heraus, dass die Feldbeobachtungen seine Konnektivitäts- und Anpassungshypothesen unterstützten. «Wie erwartet, beobachteten wir eine Korrelation zwischen der Wahrscheinlichkeit der Anpassung und einer verlängerten Aussetzung an hohen Hitzestress. Umgekehrt zeigten Korallen an Standorten, an denen noch nie Hitzestress aufgetreten war, keine klimaadaptiven Eigenschaften», erklärt Selmoni.
© 2020 LASIG
Mit Blick auf die Zukunft könnten die in der Studie entwickelten Karten dazu verwendet werden, neue Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areas, MPAs) – Zonen, in denen Fischerei, Tourismus, Industrie und andere menschliche Aktivitäten eingeschränkt sind – an Orten einzurichten, wo hitzebeständige Korallenstämme die Riffe rund um den Archipel durch Vernetzung besiedelnkönnten. Eine andere Option bestünde darin, klimaangepasste Korallen auszuwählen und zu züchten und sie dann in nahe gelegene Riffe zu verpflanzen, die weniger in der Lage sind, steigenden Temperaturen standzuhalten, wodurch der Prozess der natürlichen Selektion beschleunigt würde. «Mit der Zeit können diese robusteren Stämme dazu beitragen, beschädigte Riffe wieder aufzubauen oder bestehende Korallenpopulationen widerstandsfähiger gegen das Ausbleichen zu machen», so Selmoni.