Unerwartetes Aufwölben eines Proteins
Ohne Cytochrom C geht quasi nichts: Das Protein kommt in unterschiedlichen Varianten in beinahe allen Lebewesen vor und sorgt dafür, dass wir über die Atmung, also mithilfe von Sauerstoff, Energie gewinnen können. Entscheidend dafür ist ein Eisenatom im Inneren des Proteins. Es kann Elektronen aufnehmen und abgeben und dadurch schnell seinen elektronischen Zustand wechseln.
Wissenschaftler unterscheiden dabei zwischen einem Zustand, in dem das Eisenatom zweifach positiv geladen ist, und einem Zustand mit dreifach positiver Ladung. Der schnelle Wechsel zwischen beiden Zuständen ist für die Funktion des Proteins entscheidend. So fungiert Cytochrom C als Elektronentransporter und trägt in den Mitochondrien dazu bei, die Energiewährung der Zelle, das ATP, zu synthetisieren.
Dieses altbewährte Konzept liegt vielen verwandten Proteinen aus der Hämfamilie zugrunde, etwa Hämoglobin, welches Sauerstoff im Blut transportiert, sowie Myoglobin, dem sauerstoffbindenden Protein in unseren Muskeln.
Auf die Wölbung kommt es an
Von Hämproteinen mit zweifach positivem Eisenatom in der Mitte – etwa Hämoglobin und Myoglobin – war bekannt, dass sie sich unter gewissen Umständen «aufwölben» können: Das Eisenatom bewegt sich dabei aus der Molekülebene, in der es sich befindet, nach oben oder unten heraus. Wissenschaftler nennen dieses Ereignis Wölbung, auf Englisch «doming». Diese Strukturänderung geschieht, wenn das Molekül in irgendeiner Form angeregt wird, also Energie zugeführt bekommt. Im Labor lässt sich das einfach durch Bestrahlen mit einem Laserpuls herbeiführen.
Bei Proteinen mit dreifach positivem Eisenatom wie Cytochrom C hingegen war «doming» bisher niemals beobachtet worden. Die Wissenschaft ging daher davon aus, dass diese Strukturänderung bei solchen Molekülen nicht vorkommt. Diese Annahme war allerdings falsch, wie Forschende um Camila Bacellar vom PSI und Majed Chergui von der EPFL nun herausfanden. «Wir hatten bisher nicht das Gesamtbild von dem, was in solchen Proteinen passiert», sagt Erstautorin Bacellar, frühere Postdoktorandin an der EPFL und jetzt Wissenschaftlerin am SwissFEL. «Wir kannten quasi nur die halbe Gleichung.»
Forschende waren selbst erstaunt
Die Forschenden bestrahlten Cytochrom C mit einem ultrakurzen Laserpuls und massen mithilfe der Röntgenpulse des SwissFEL, wie das Biomolekül darauf reagierte. Überraschenderweise zeigten die Messdaten, dass das Protein eine Wölbung durchläuft, bevor es in seinen Ausgangszustand zurückkehrt. Damit hatten sie nicht gerechnet. «Wir hatten eigentlich nach etwas anderem gesucht und sind nur zufällig darauf gestossen», sagt Bacellar und lacht. Um dieses unerwartete Ergebnis zu überprüfen, führten die Forschenden weitere Messungen am European XFEL in Hamburg durch, welche ihre Vermutung bestätigten.
«Mit Freie-Elektronen-Röntgenlasern wie dem SwissFEL und dem European XFEL können wir uns ganz gezielt das Eisenatom im Zentrum des Proteins ansehen. Eine Untersuchung wie diese wäre mit keiner anderen Technik möglich gewesen», sagt Christopher Milne, Gruppenleiter im Labor für Femtochemie des PSI und Co-Autor der Studie.
«Die neuen Erkenntnisse zeigen, dass die Wölbung ein universelles Merkmal aller Hämproteine ist und nicht auf Moleküle wie Myoglobin oder Hämoglobin beschränkt ist», fügt Camila Bacellar hinzu. Die Vermutung liegt nahe, dass auch bei Cytochrom C und verwandten Proteinen das Aufwölben eine wichtige Rolle für die Funktion des Proteins übernimmt. Welche genau das ist, müssen spätere Untersuchungen aber erst noch zeigen.
Text: Paul Scherrer Institut/Brigitte Osterath