Ein neues Instrument, um klimaangepasste Korallenriffe zu identifizieren

Der Klimawandel bedroht die Korallenriffe der Welt, und die Rettung aller Korallenriffe wird sich als unmöglich erweisen. Ein Team der EPFL hat eine Methode entwickelt, um Korallen mit dem grössten Anpassungspotenzial an Hitzestress zu identifizieren. Die in der Zeitschrift "Evolutionary Applications" veröffentlichte Forschungsarbeit soll verbesserte und gezieltere Strategien zur Erhaltung der marinen Biodiversität unterstützen.
© Olivier Selmoni

Korallenriffe beherbergen bis zu einem Drittel der weltweiten marinen Biodiversität und haben daher eine hohe Schutzpriorität. Dennoch sind diese wertvollen Ökosysteme in den letzten 20 Jahren rapide zurückgegangen, was zu einem erheblichen Artenverlust geführt und sozioökonomische Härten in tropische Regionen der Welt gebracht hat, die stark von Fischerei und Tourismus abhängig sind. Dieser Rückgang wird durch das Bleichen, den Prozess, durch den die Korallen sterben, angetrieben.

Das Bleichen tritt auf, wenn Korallen unter Hitzestress leiden, der den Organismus schwächt und letztlich zu seinem Untergang führen kann. "Die Zukunft der Korallenriffe wird von der Fähigkeit der Korallen abhängen, sich an die Erwärmung der Ozeane anzupassen", sagt Oliver Selmoni, ein Doktorand am Laboratorium für Geographische Informationssysteme (LASIG) der EPFL. "Die Temperatur ist die Hauptursache für das Korallensterben. Wir haben einen Weg gefunden, um vorherzusagen, welche Korallen am besten mit dem Hitzestress fertig werden - Daten, die derzeit in den globalen Erhaltungsstrategien fehlen".

Es ist bereits bekannt, dass bestimmte Korallen eher daran gewöhnt sind, in wärmeren Gewässern zu überleben und daher besser in der Lage, mit anormalen Temperaturspitzen umzugehen. Aber die Extrapolation dieses Wissens auf die Grösse eines ganzen Riffs hat sich bisher als schwierig erwiesen. Diese neue Forschungsarbeit ist eine gemeinsame Anstrengung der EPFL und des Französischen Nationalen Forschungsinstituts für Nachhaltige Entwicklung (IRD) mit Sitz in Nouméa, Neukaledonien, mit Unterstützung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und der Internationalen Korallenriff-Initiative (ICRI). Neben der Entwicklung einer Methode zur Lokalisierung so genannter "anpassungsfähiger" Korallen versuchte das Team auch zu ermitteln, wie diese Informationen genutzt werden können, um die Korallen besser zu schützen, indem ihr Anpassungspotenzial verstärkt wird.

Eine zweigleisige Studie

In dieser Studie wurden zum ersten Mal Prinzipien der Umweltgenomik auf die Meeresumwelt angewandt, um den Schutz der Korallenriffe zu unterstützen. Die Forscher konzentrierten sich auf eine Vorzeigekorallenart im japanischen Ryukyu-Archipel und verglichen die Ergebnisse einer genetischen Analyse mit Satellitendaten, die Veränderungen der Umweltbedingungen - insbesondere der Meerestemperatur - in den letzten 30 Jahren zeigen.

Das Team entwickelte ein Modell, das objektive, quantifizierbare und kartierbare Variablen verwendet, um vorherzusagen, welche Genotypen über Anpassungsfähigkeit verfügen und es daher wahrscheinlicher machen, dass eine bestimmte Koralle besser geeignet ist, in einer bestimmten Umgebung zu überleben. Sie entdeckten sechs genomische Regionen, die an der Förderung der Resistenz gegen Hitzestress beteiligt sind. "Wir konnten Individuen identifizieren, die potentiell hitzestress-angepasste Genotypen tragen, und verstehen, wie sie sich auf benachbarte Riffe ausbreiten", sagt Selmoni.

Ausweitung

Gegenwärtig richten die Regierungen Meeresschutzgebiete (MPAs) entsprechend dem Grad der Bedrohung durch menschliche Aktivitäten ein. Das Team der EPFL fordert einen anderen Ansatz, wobei sich die Schutzbemühungen auf die Riffe mit den grössten Überlebenschancen konzentrieren, weil sie die angepassten Genotypen tragen. Eine andere Option wäre die Förderung von Genmutationen durch die Verpflanzung von adaptiven Korallen in Riffe, die weniger in der Lage sind, steigenden Temperaturen zu widerstehen.

Nach einem erfolgreichen Proof of Concept wurde das Modell in eine Webanwendung integriert, die Korallen nach ihrer Anpassungsfähigkeit einordnet. Das für die Manager der MPAs entwickelte Tool wird in Zukunft noch erweitert, wenn das EPFL-Team weitere Korallenarten untersucht und weitere Genotypen in die Datenbank aufnimmt. Das Modell soll auch in zwei anderen Teilen der Welt eingesetzt werden. Das von Professor Anders Meibom an der EPFL gegründete und vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) unterstützte Transnationale Forschungszentrum für das Rote Meer wird es zur Unterstützung der Korallenriff-Schutzarbeit im Roten Meer einsetzen, und ManaCo, ein im Pazifikraum tätiges Netzwerk, wird das Modell ebenfalls in sein Instrumentarium für den Meeresschutz aufnehmen.