Darum ist unser Wasser so sauber

Früher war die Wasserqualität in Schweizer Gewässern viel schlechter als heute, auf Flüssen trieb vielerorts Schaum und in den Seen gab es regelrechte Algenteppiche. In seiner Kolumne erklärt Michael Hengartner, wie die Forschung zu einer besseren Wasserqualität beigetragen hat und vor welchen Herausforderungen wir heute stehen.
Unsere Schweizer Gewässer haben eine super Qualität. (Bild: pixabay)

Ich bin in Kanada aufgewachsen. Dort ist es auch im Sommer schön kühl. Bei uns in der Schweiz hingegen sind die Sommer echt heiss. Was tun? Die einen suchen Kühlung in den Bergen, die anderen springen ins kühle Nass.

Unsere Schweizer Gewässer haben eine super Qualität. Gäste aus dem Ausland staunen immer wieder darüber, dass unser Hahnenwasser kein Chlor enthält. Und dass man Brunnenwasser problemlos trinken und in Flüssen und Seen sogar baden kann, finden sie schlicht unglaublich.

Wobei: Das war nicht immer so. Manches war früher vielleicht besser, die Schweizer Wasserqualität war es definitiv nicht! Mitte der 1960er-Jahre waren von 100 Schweizer Haushalten erst 14 an eine Kläranlage angeschlossen. Auf Schweizer Flüssen trieb vielerorts Schaum, und in den Seen gab es regelrechte Algenteppiche, die immer wieder mit Schiffen «abgegrast» werden mussten (im Volksmund sprach man deswegen von «Seekühen»). Im Strandbad von Solothurn stand ein Schild mit dem Hinweis: «Vorsicht! Wasser verschmutzt. Nicht schlucken. Nach dem Baden abduschen.» Heute wäre das undenkbar.

«Manches war früher vielleicht besser, die Schweizer Wasserqualität war es definitiv nicht!»      Michael Hengartner

Die Ursachen der Gewässerverschmutzung waren vielfältig. Die Landwirtschaft trug mit zu viel Dünger ihren Teil bei, die Industrie ebenfalls, aber auch die Haushalte. Waschmittel gelangten nämlich oft ungefiltert in die Gewässer und sorgten für schaumige Bäche. Und in Bern wurden die Haushaltsabwässer der Altstadt (auch die Toiletten) bis in die 1980er-Jahre nur grob gefiltert in die Aare geleitet.

Dass sich beim Schweizer Wasser so vieles verbessert hat, liegt vor allem an den Kläranlagen. Heute sind 97 Prozent der Haushalte an eine ARA angeschlossen. Die übrigen sind so abgelegen, dass es keinen Sinn macht, sie anzuschliessen. Ausserdem haben die Industriebetriebe heute bessere Filter, die Bauern düngen zurückhaltender. Und die Gesetze sind strenger geworden: So wurden beispielsweise die Phosphate in den Waschmitteln verboten.

«Auch die Forschung hat viel zur Wasserqualität beigetragen. An der Eawag wurden beispielsweise Membranbioreaktoren, Wirbelbettverfahren und Biofilmreaktoren entwickelt.»      Michael Hengartner

Auch die Forschung hat viel zur Wasserqualität beigetragen. Diese findet in der Schweiz vor allem an der Eawag statt. Dort wurden beispielsweise Membranbioreaktoren, Wirbelbettverfahren und Biofilmreaktoren entwickelt, mit welchen das Wasser in den ARA gereinigt wird. Auch die Messverfahren werden immer raffinierter. So können heute Rückstände von Antibiotika und weiteren Arzneimitteln genau gemessen werden. Sogar das Coronavirus kann man im Abwasser nachweisen! (Aber keine Angst, diese Viren-Rückstände sind nicht mehr ansteckend.)

Die Schweiz hat im Bereich Wasserschutz sehr viel erreicht. Wir stehen jedoch vor neuen Herausforderungen. So bereitet die Akkumulation von Rückständen im Grundwasser grosse Sorgen. Immer öfters auftretende Hitzewellen und Sommerdürren führen regional zu Wasserknappheit und stressen die Ökosysteme von Bächen und Flüssen. Diese Probleme können nicht mehr punktuell, sondern müssen ganzheitlich angegangen werden. Damit wir auch in Zukunft in unseren Seen und Flüssen baden und das Wasser aus den Brunnen trinken können. Heute Sonntag soll das Wetter ja sehr schön sein. Springen Sie unbeschwert in Aare, Limmat oder Rhein. Sie sind alle «bebadbar».

Der Beitrag erschien ursprünglich im SonntagsBlick.